Auswertung des ersten Fachtages zur Förderung von Rock- und Popmusik in Sachsen

Am 4. April 2009 kamen in der Dresdner scheune mehr als 30 Vertreter der sächsischen Popmusikszene zusammen, um über Sinn und Notwendigkeit einer Struktur für landesweite Förderung von Popmusik zu diskutieren. Neben Veranstaltern, Labelmachern, Clubs und Musikstudios waren Vertreter soziokultureller Einrichtungen sowie des Sächsischen Musikrates anwesend.

Über zwei Stunden wurden in verschiedenen Gruppen lebhaft und konstruktiv die Etablierung einer zentralen Institution sowie deren potentielle Aufgaben erörtert.

Die Ergebnisse jener Bedarfsermittlung wurden am Nachmittag unter der Moderation von Oliver Reinhardt Experten aus dem gesamten Bundesgebiet vorgelegt, die bereits Erfahrungen mit verschiedensten Netzwerkformen gesammelt haben.

An der Podiumsdiskussion beteiligte Experten:

  • Barbara Rauthe (BDB für kreative Berufe)
  • Katja Hermes (Initiative Musik)
  • Eva Kiltz (Geschäftsführerin des Verbandes unabhängiger Musikunternehmen)
  • Alexander Bergmann (Bauhaus-Universität Weimar)
  • Kai Thomsen (Mitbegründer des Popforums Niedersachsen)
  • Jörg Augsburg ( (Pop Up Messe)

Branchentreffen am Vormittag

Für die Diskussion am Vormittag haben wir versucht, die Teilnehmer einer der folgenden drei Gruppen zuzuordnen, um durch die größere Homogenität dieser Gruppen klarere Ergebnisse zu erreichen.

Musikwirtschaft

Soziokultur

Kunst

Labels

Kulturzentren

Musiker/innen

Verlage

Jugendzentren

Bands

Bookingagenturen

Bandcommunities

Urheber

Produktion

Sozialarbeit mit Musik

Pädagogik (Instrumentenausbildung)

Fast erstaunlich war, dass sich trotz der insgesamt heterogenen Teilnehmerstruktur durchaus Gemeinsamkeiten und Lösungsansätze feststellen ließen. Einig waren sich beispielsweise alle Anwesenden darin, dass es sowohl kommunal als auch auf Bundes- und Länderebene zu wenig Anerkennung für Popmusik als Kunstform, als Wirtschaftszweig und auch in seiner (sozial)pädagogischen Bedeutung gäbe. Wirkliche Lobbyarbeit leisteten nur große Unternehmen und deren Interessen seien selten die gleichen wie die aller anderen Beteiligten.

Gleichzeitig wurde betont, dass sich nicht eine Struktur bilden dürfe, die „von oben herab“ arbeite und aufgrund personeller Besetzungen den Blick für neue Musikrichtungen und Jugendkulturen aus den Augen verliere. Vielfach fiel der Begriff „Open Space“.

Ein gutes Netzwerk könne auch die wissenschaftliche Arbeit fördern. So bestünde beispielsweise Bedarf, die tatsächliche IST-Situation der sächsischen Musikbranche wissenschaftlich zu erfassen. Hier wurde auch eine mögliche Zuarbeit für kommende Kulturwirtschaftsberichte des Freistaats erwähnt. Es müsse klare Ansprechpartner und bessere Ausgangsanalysen für Studenten geben, die wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der regionalen Popkultur schreiben wollen.

Ebenfalls wurde oft betont – und dies erwähnt auch der gerade erschienene erste Kulturwirtschaftsbericht – dass insbesondere der Wirtschaftszweig der Musikverwertung (Label, Verlage) es sehr schwer habe, in Sachsen gewinnbringend zu arbeiten. Neben den allgemeinen Problemen der Musikbranche, wie dem intensiven Rückgang der Tonträgerumsätze, fehle es in Sachsen insbesondere an finanzieller Ausstattung und gewachsenen Strukturen.

Vorgeschlagen wurden daher wirtschaftsorientierte Modelle wie Existenzgründer- oder Marketingwettbewerbe. Einer der Anwesenden stellte die Frage in den Raum, was es einer Band nütze, zwei Bandwettbewerbe zu gewinnen, wenn sie danach keinen Partner vor Ort finde, der Geld, Beziehungen und das Know-how hat, die Musik der Band gewinnbringend zu vermarkten. Im Bereich der Jugendmusikförderung wurde festgestellt, dass es noch viel zu wenige Möglichkeiten gäbe, sich unter professioneller Hilfe zu entwickeln und zu verwirklichen.

Zusammenfassend haben sich folgende Bedürfnisse besonders deutlich herausgestellt.

Musikwirtschaft

Soziokultur

Kunst

mehr Anerkennung durch Politik

mehr Anerkennung durch Politik

mehr Anerkennung durch Politik

Marketing – Wettbewerbe

Fördersicherheit

mehr Auftrittsmöglichkeiten

rechtliches Know-how

Unabhängigkeit von Sponsoren

Existenzsicherheit

wirtschaftliches Know-how

langfristiges Arbeiten

stärkere Partner in der Musikwirtschaft

finanzielle Ausstattung

wissenschaftliche Arbeiten

Kostenbeteiligungen Konzertreisen

internationale Kontakte

mehr Anerkennung durch die Medien

mehr Anerkennung durch Medien

preiswerte Proberäume

mehr Stellen an Schulen (Nachmittagsunterricht)

transparentes System der Künstlersozialkasse

Diese Vielfalt der Bedürfnisse macht in den Augen vieler die Arbeit einer zentralen Institution sehr kompliziert.

Podiumsdiskussion

Auch Alexander Bergmann sprach sich in der folgenden Podiumsdiskussion insbesondere für lokale Netzwerke aus und erhofft sich stärkeres Engagement der Städte vor Ort. Er motivierte die Anwesenden, zunächst das lokale Netzwerk zu stärken und Lobbyarbeit vor Ort zu leisten, statt sachsenweite Programme zu fordern. Eva Kiltz dagegen empfahl zwar eine landesweite Struktur, sie animierte jedoch eher zur Bildung eines internen Netzwerks der rein kommerziell ausgerichteten Musikwirtschaft als eigenständige Lobbygruppe.

Kai Thomsen schilderte das Modell „Popmeeting“ aus Niedersachsen, einen zweijährlich stattfindenden Kongress, der alle Beteiligten der niedersächsischen Branche zusammenbringt, um gemeinsam ein Ausrufezeichen für regionale Popmusik zu setzen. Ob solche Modelle durch die noch sehr junge Fördereinrichtung der Bundesregierung „Initiative Musik“ unterstützt werden können, blieb jedoch offen. Vertreterin Katja Hermes verwies auf die noch in der Entwicklung stehende Institution; es bestünden bisher zu wenige Referenzprojekte, um klare Aussagen treffen zu können. Die Entscheidung darüber fälle letztlich der Aufsichtsrat, ein Popbüro sei aber in jedem Fall förderungswürdig.

Barbara Rauthe hält sowohl die Lobbyarbeit nach außen als auch das Bewusstsein der Künstler selbst für die ökonomische Verwertung ihrer Werke für essentiell. Zur Festigung dieser Herangehensweise erachtet sie die Ausweitung des Netzwerkgeflechts auf andere Kunstformen als notwendig.

Ähnlich betrachtet Jörg Augsburg, Vertreter der (Pop Up Messe aus Leipzig, die Situation: Die Kreativwirtschaft im Ganzen sei es, die zu einem entsprechenden Image einer Kommune oder eines Landes beitrage. Er erwarte von der Stadt Leipzig oder dem Freistaat nicht unbedingt finanzielle Unterstützung; vielmehr könnten eine Marketingkooperation oder logistische Anstrengungen der Messe weiterhelfen.

Fragerunde an die Politik

Zur anschließenden Fragerunde an die Politik waren Vertreter der Fraktionen im Landtag sowie des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst geladen, um die Förderung von Popmusik zu diskutieren. Anwesend waren Julia Bonk für DIE LINKE, Michael Schmelich für DIE GRÜNEN, Mirko Sennewald als Vertreter der FDP sowie Herr Dr. Arendt, Referent im Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, unter anderem letzter Verantwortlicher für das 2002 ausgelaufene Strukturförderprogramm Rock.

Nach Dr. Arendt sei jenes Programm, welches nach der Wende die Jugendkultur z. B. durch Finanzierung von Veranstaltungstechnik für Diskotheken und Jugendzentren sowie Produktionszuschüsse fördern sollte, u. a. an zahlreichen Ungereimtheiten über die tatsächliche Verwendung der gezahlten Fördergelder gescheitert. Er selbst stehe Ansätzen für neue Modelle im Bereich der Jugendmusikförderung durchaus offen gegenüber und begrüße die Initiierung dieses ersten Fachtags.

Julia Bonk hatte Anfang des Jahres mit der Fraktion einen Antrag im Landtag eingebracht, der die Schaffung eines Popbüros zur Jugendmusikförderung forderte. Ihre Idealvorstellung sei die Erstellung eines entsprechenden Leistungskatalogs sowie eine Ausschreibung zur Übernahme der entsprechenden Aufgaben durch eine Institution. Für die Erstellung eines jenes Leistungskatalogs sei dieser Fachtag enorm wichtig.

Michael Schmelich hingegen sieht in einer solchen Institution schwerfällige Apparate von „Staatsrockern“ und ist sich sicher, dass niemand nur ansatzweise für die Mehrheit der Akteure sprechen könne und somit keine entscheidenden Fortschritte und Ergebnisse erzielt werden könnten.

Mirko Sennewald teilte diese Meinung und forderte die Anwesenden auf, den Gedanken dieses ersten Fachtags aufzunehmen und offener zu sein im Umgang mit Mitbewerbern. Er rief zur wiederholten Planung solcher Veranstaltungen auf, zu denen auch Vertreter der Politik geladen werden sollten. Es gäbe zahlreiche musikinteressierte Politiker, die sich im Rahmen solcher Veranstaltungen ein Bild von der derzeitigen Situation machen wollten und die auch im Nachgang durchaus als persönliche Ansprechpartner fungieren könnten, wenn konkrete Bedürfnisse bestehen.

Alle drei beteiligten Politiker bemängelten das aktuelle Radioangebot in Sachsen aus Sicht der Pop- und Jugendkultur. Der Anteil neuer Musik und sächsischer Musik sei ungeeignet, für eine lebhafte, offene, neugierige und motivierte Szene zu sorgen.

AUS UNSERER SICHT:

Es gibt in allen Bereichen Verbesserungsbedarf und bei allen Bedenken gegenüber einer zentralen Institution erscheint es uns dennoch wichtig, Programme zu fördern, die eine Vernetzung der Akteure beinhalten.

Hierbei stehen wir der Ausrichtung eines Fachkongresses nach niedersächsischem Vorbild offen gegenüber und halten eine solche Umsetzung für realistisch, sinnvoll sowie relativ zeitnah mit verhältnismäßig geringem Budget umsetzbar.

Die SCHEUNE AKADEMIE selbst wird sich aufgrund der Erkenntnisse des Fachtags noch intensiver um Beratungs- und Netzwerkangebote im Bereich der Musikwirtschaft bemühen und sich hierzu rechtlich von der scheune lösen und neue Partner aus der Musikwirtschaft in die Arbeit integrieren. Ziel ist dabei insbesondere eine Belebung der Label- und Verlagsarbeit sowie des Bandmanagements in Sachsen durch Workshops, Netzwerkarbeit und Wettbewerbe (Marketing/Vertrieb/Existenzgründung), da ganz offensichtlich gerade in diesem Bereich Strukturarbeit notwendig ist.

Grundsätzlich befürworten wir die Bildung eines Gremiums mit Vertretern aller drei genannten Interessengruppen, die wiederum durch ihre Gruppe selbst entsandt werden, um gemeinsam die Machbarkeit eines Kongresses nach niedersächsischem Vorbild zu prüfen.

Die Chancen auf eine Umsetzung schätzen wir gut ein, wenn sich ein entsprechend starkes Gremium findet.

Wir freuen uns auf Eure Gedanken und Hinweise dazu. Wer von Euch ist bereit, eine solche Veranstaltung komplett ehrenamtlich mitzuplanen?